Über das Projekt
RettungsNetz-5G
Rund um das Projekt und den Projektablauf
Rund um das Projekt und den Projektablauf
Mit der Leistungsfähigkeit der Mobilfunktechnologie 5G entstehen vielfältige neue Möglichkeiten für eine schnellere und bessere medizinische Notfallversorgung.
Das Projekt RettungsNetz-5G dient der Erschließung des Potentials und dem stufenweisen Einsatz des neuen Mobilfunkstandards und mehrerer damit verbundener Technologien, die zusammen eine mobile Diagnostik und einen weitaus schnelleren Therapiebeginn bei notfallmedizinischen Krankheitsbildern ermöglichen.
Mit Projektbeginn (Stufe 1) von RettungsNetz-5G wird zur frühzeitigen Diagnostik eines Schlaganfalls im Rettungstransportmittel eine 5G-basierte mobile Video- und Dateneinheit eingerichtet, mit der Spezialisten aus einer Zielklinik informiert und unterstützend hinzugezogen werden können.
Die Daten werden auf einer Analyse- und Entscheidungsplattform verarbeitet, die KI-basiert die bestmögliche Weiterversorgung des Patienten unterstützt. Dadurch wird der anschließende Versorgungsablauf intelligent vorbereitet und beschleunigt, um letztendlich die Prognosen zu verbessern und die Überlebenschance des Patienten zu erhöhen.
Die zweite Stufe des Projektes RettungsNetz-5G adressiert die weitere Beschleunigung der Diagnostik und Therapieeinleitung bei Schlaganfällen. Dafür wird ein mobiler Schädel-CT in einem Rettungswagen installiert, der bei Verdacht auf Schlaganfall durch die Rettungsleitstelle zusätzlich alarmiert wird, sodass am Einsatzort unmittelbar eine CT-Untersuchung des Schädels durchgeführt werden kann.
Mit Hilfe von 5G können nun die Datenmengen des CT in Echtzeit auf die Analyse- und Entscheidungsplattform übertragen und ausgewertet werden, sodass die Therapie bereits am Einsatzort beginnen und somit lebenswichtige Zeit gewonnen werden kann.
In Projektstufe 3 von RettungsNetz-5G wird der Einsatz mittels 5G ferngesteuerter Interventionsrobotik erkundet.
Diese Technologie hat großes Potential zur notfallmedizinischen Behandlung vieler Krankheitsbilder, darunter Blutungen und Gefäßwiedereröffnungen, wie beispielsweise beim akuten Schlaganfall.
Häufig auftretende, schwere notfallmedizinische Erkrankungen (z. B. Schlaganfälle, Polytraumata, akute Blutungen, Lungenembolien und Herzinfarkte) erfordern eine sehr schnelle und zielgerichtete Therapie. Entscheidendes Kriterium für die Überlebenschancen ist in der Regel die Dauer zwischen dem Ereignis, dem Beginn der zielgerichteten Diagnostik und der sich anschließenden geeigneten Therapie: Je schneller die Therapie der modernen Hochleistungsmedizin einsetzt, desto höher ist die Überlebenswahrscheinlichkeit des Patienten.
In dieser Hinsicht besteht momentan ein hoher Bedarf, die Abläufe zu beschleunigen und neue Technologien zur Unterstützung einzusetzen: Lebensgefährlich verletzte oder erkrankte Patienten, beispielsweise mit akutem Herzinfarkt oder Schlaganfall, werden zur Erreichung dieses Ziels heute gemäß immer weiterentwickelten Richtlinien und Standards behandelt. Nach der Alarmierung von Rettungsmitteln über die Rettungsleitstelle sowie der präklinischen Diagnostik und Therapie durch den Notarzt schließt sich innerklinisch die Versorgung im sogenannten Schockraum an.
Dort wird – in Zusammenarbeit mehrerer ärztlicher Disziplinen – eine erweiterte Diagnostik inklusive CT-Untersuchung vorgenommen und eine gemeinsame Entscheidung für die weitere Akutbehandlung getroffen. Erst danach erfolgt die Initiierung der weiterführenden Notfall-Therapie in Form von Alarmierung des Personals sowie der Bereitstellung von OP-Kapazitäten oder interventionellen Angiographieräumen. Diese erste Phase ist überaus kritisch und hat wesentliche Auswirkungen auf die Gesamtprognose des schwerverletzten Patienten.
Die Versorgung läuft aktuell meist sequenziell ab; zwangsläufig entstehen durch Alarmierungs- und Anfahrtswege erhebliche Zeitverluste, sodass bis zum Beginn der optimalen Therapie in der Realität oft mehrere Stunden vergehen können – Zeit, in der sich die Prognose des Patienten drastisch verschlechtert. Jede Steigerung der Geschwindigkeit der Versorgung würde hier direkt die Lebenserwartung des Patienten erhöhen; beim Schlaganfall heißt es metaphorisch „Time is Brain!“. Durch das Projekt RettungsNetz-5G sollen diese Zeiten optimiert und eine zeitnahe Versorgung sichergestellt werden.
Aktuell müssen Patienten für die Diagnostik in ein Spezialzentrum gebracht werden, denn nur dort sind die erforderlichen technischen Einrichtungen, beispielsweise CT-Geräte und Angiographie-Einheiten, sowie das notwendige Personal verfügbar. In dem Maße, wie die medizinischen Möglichkeiten verbessert werden, steigen gleichzeitig die Anforderungen und die technische Komplexität der Vorgänge, die oft unter hohem Zeitdruck und damit unter erheblichem Stress erfolgen.
Gleichzeitig werden immer umfassender ausgebildete Spezialisten benötigt, deren Verfügbarkeit abnimmt – auch diese Tatsache unterstreicht den dringenden Bedarf nach einer Weiterentwicklung bzw. Ergänzung verfügbarer medizinischer Technologien. Gerade in ländlichen Gegenden ist die Versorgung der Bevölkerung durch Rettungstransportmittel und Notärzte durch lange Transportwege zu spezialisierten Zentren eine große Herausforderung, die dazu führt, dass die ländliche Bevölkerung bei schweren Erkrankungen oder Verletzungen insgesamt immer noch signifikant später und damit schlechter medizinisch versorgt wird.
Technische Innovationen bieten neue Chancen, einerseits die Qualität der Versorgung zu erhöhen und das knappe, hochqualifizierte Personal bei ihrer oft komplexen Arbeit effektiv zu unterstützen, damit Behandlungsfehler minimiert werden. Andererseits bieten sie gerade für die medizinischem Versorgung ländlicher und entlegener Regionen die einmalige Möglichkeit, die Geschwindigkeit der Erstdiagnostik und -therapie maßgeblich zu erhöhen – auf ein Niveau, das der medizinischen Versorgung von Ballungszentren entspricht oder sogar übersteigt.
Der Mobilfunkstandard 5G setzt neue Maßstäbe in Datengeschwindigkeit, Netzkapazität, Reaktionszeit und Datensicherheit. In Verbindung mit den neuesten MedTech-Innovationen (erstmalige Mobilität kompakter CT, robotergesteuerte Angiographieeinheiten, KI in der Bildgebung und der Ablaufplanung) entstehen vielfältige Möglichkeiten, die notfallmedizinisch relevante Infrastruktur für den Patienten wesentlich schneller verfügbar zu machen und die bisherige Versorgungskaskade an vielen Stellen abzukürzen bzw. zu parallelisieren. Das Konzept, die Geräte speziell in medizinischen Zentren vorzuhalten, kann in Zukunft durch den situationsangepassten mobilen und damit früheren Einsatz der Geräte (insbesondere mobile CT und ferngesteuerte Roboter), u.a. an Bord von Rettungswagen, ergänzt werden. Gleichzeitig können große Datenmengen und damit weitaus mehr diagnostische Informationen aus dem Rettungswagen schon vom Unfallort bzw. während des Transports übertragen, KI-basiert ausgewertet und im Notfallversorgungsprozess berücksichtigt werden.
Spezielle medizinische Expertise, wie sie heute nur an spezialisierten medizinischen Zentren zur Verfügung steht, kann per 5G-basierter Kommunikation dezentral und mobil für den Patienten verfügbar gemacht werden. Beispielhaft sei die Unterstützung des Rettungsdienstes und des Notarztes durch innerklinische Experten genannt, die über eine stabile, hochauflösende und praktisch verzögerungsfreie Videokommunikation über viele Kilometer hinweg in gleicher Qualität erbracht werden kann. Dies ermöglicht nicht nur, die Versorgungsqualität des Patienten zu erhöhen, sondern steigert gleichzeitig die Effizienz des dafür notwendigen Personals, was insgesamt einer verbesserten Notfallversorgung zuträglich ist.
Neben hohen Datenübertragungsraten sind für diese mobilen und sicherheitskritischen Anwendungen auch geringe Latenzzeiten für eine unterbrechungsfreie Echtzeitkommunikation und Gerätesteuerung sowie eine störungsfreie und geschützte Übertragung sensibler Patientendaten essenziell. Einige dieser Voraussetzungen werden durch den 5G-Standard erstmals ermöglicht. Das bedeutet, dass Daten auch an Orten mit extrem hoher Nutzerdichte (z. B. Fußballstadien) zuverlässig und „live“ übertragen werden können. Der Einsatz mobiler CT ist darüber hinaus ideal, um zu demonstrieren, wie belastbar das 5G-Netz auch für weitere mobile Applikationen ist, deren Anforderungen über die Kapazitäten von 4G hinausgehen. Der 5G-Standard wirkt somit als Wegbereiter und Katalysator, um technische Innovationen, die die Schwerstverletztenversorgung heute maßgeblich bestimmen und deren Prognose verbessern, wesentlich früher und auch in entlegenen Regionen zum Einsatz zu bringen. Dies stellt eine riesige Chance für eine bessere medizinische Versorgung dar und bildet den Kern des Projektes RettungsNetz-5G.
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